Was zeichnet Gemeinschaftliches Wohnen gegenüber dem klassischen Wohnen aus?
Gemeinschaftliches Wohnen ist gegenüber dem klassischen Wohnen durch aktive nachbarschaftliche Kontakte und einen regelmäßigen Austausch im Wohnalltag geprägt. Während auch im Gemeinschaftlichen Wohnen der private Wohnraum als Rückzugsort verstanden wird, bieten die gemeinschaftlichen Anlagen Raum für alltägliche Begegnungen, gemeinsame Aktivitäten, Treffen und Veranstaltungen. Neben regelmäßigen sozialen Kontakten, gehört eine wechselseitige nachbarschaftliche Unterstützung im Alltag ganz selbstverständlich zum Gemeinschaftsleben dazu. Gegenüber dem klassischen Wohnen verfügen die Bewohnerinnen und Bewohner gemeinschaftlicher Wohnformen zudem über erweiterte Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, deren Umfang wiederum von der jeweiligen rechtlichen Konstruktion gemeinschaftlicher Wohnformen abhängt.
Wer wohnt in gemeinschaftlichen Wohnprojekten?
Menschen aller Altersstufen mit und ohne Handicap, die aktiv ihr nachbarschaftliches Zusammenleben gestalten möchten.
Was unterscheidet Gemeinschaftliches Wohnen vom Gemeinschaftlichen Wohnen plus?
Was die Komponente des Wohnens in einer solidarischen und nachbarschaftlich aktiven Gemeinschaft angeht, gibt es keine Unterschiede zwischen Gemeinschaftlichem Wohnen und dem Gemeinschaftlichen Wohnen plus. Zusätzlich berücksichtigt jedoch Gemeinschaftliches Wohnen plus die besonderen Anforderungen an das Gemeinschaftliche Wohnen bzw. Wohnumfeld im Alter und bei Pflege- und Unterstützungsbedarf. Im Gemeinschaftlichen Wohnen plus entstehen quartiersnah Angebote, die ein selbstbestimmtes Leben im Gemeinschaftlichen Wohnen absichern bzw. ermöglichen sollen. So integrieren bspw. Projekte, die im Bundesmodellprogramm „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ gefördert werden, Räume zum Aufbau bzw. zur Organisation ehrenamtlicher Hilfestrukturen, Nachbarschaftscafés, Tagespflegeeinrichtungen, Wohn-Pflege-Gemeinschaften u.v.m.
Wie viele gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt es?
Es gibt derzeit keine belastbaren Studien zur Anzahl gemeinschaftlicher Wohnprojekte in Deutschland. Dies liegt zum einen daran, dass es keine einheitliche Definition für gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt, zum anderen existiert keine zentrale Erfassung von Wohnprojekten. Beim Wohnprojekte-Portal (www.wohnprojekte-portal.de) der Stiftung-trias Hattingen (Ruhr), dem führenden Portal für Gemeinschaftliches Wohnen in Deutschland, sind aktuell über 700 realisierte Wohnprojekte gelistet. Das FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V. und andere professionelle Stellen schätzen, dass die Zahl gemeinschaftlicher Wohnprojekte deutschlandweit im vierstelligen Bereich liegt.
Warum gewinnt Gemeinschaftliches Wohnen plus zunehmend an Bedeutung?
Gemeinschaftliche Wohnformen entstehen vielfach aus einem wachsenden Bedürfnis nach sozialer Einbindung und sozialem Rückhalt. Im Prozess des gesellschaftlichen Wandels werden traditionelle Beziehungsformen und familiäre Bindungen zunehmend brüchig, was unmittelbare Auswirkungen auf den Lebensalltag vieler Menschen hat. Insbesondere in Phasen der Unterstützungsbedürftigkeit, bei Krankheit, im Pflegefall oder auch im Alter bei eingeschränkter Mobilität, braucht es Menschen im nahen Umfeld, die bereit sind zu helfen und Verantwortung in ihrem sozialen Nahbereich zu übernehmen. Gemeinschaftliches Wohnen fördert die wechselseitige Unterstützung im sozialen Wohnumfeld und trägt damit zur Entlastung von Familien bei, die heute aufgrund wachsender Mobilitätsanforderungen und doppelter Erwerbstätigkeit vielfach nicht mehr oder zumindest nur noch in Teilen im Stande sind, traditionelle Sorgeaufgaben zu übernehmen. Auch der demografische Wandel wirkt sich inzwischen unmittelbar auf die Lebensumstände aus. Klar ist, dass es einer großen kollektiven Anstrengung bedarf, um Menschen ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben in der Mitte der Gesellschaft im Alter und bei Hilfe- und/oder Pflegebedürftigkeit zu ermöglichen. Eine wachsende Zahl an alternden Menschen steht einer verhältnismäßig geringer werdenden Anzahl an jungen Menschen gegenüber. Daraus ergeben sich besondere Herausforderungen für die Finanzierung und Organisation von Wohnen, Pflege und Betreuung. Im Gemeinschaftlichen Wohnen stellen sich Menschen bereits heute diesen Herausforderungen, indem sie ein unterstützendes Wohnumfeld schaffen und füreinander Verantwortung übernehmen. Dies geschieht durch lebendige Nachbarschaften, organisierte Hilfen im Alltag und – diese Form ist vergleichsweise jung, erfreut sich aber zunehmender Popularität – durch die Integration von Pflege- und Unterstützungsangeboten wie beispielsweise Tagespflegeeinrichtungen oder ambulant betreuten Pflege-Wohn-Gemeinschaften in das Gemeinschaftliche Wohnen.
Welche Rechtsformen für gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt es?
Die Wahl der Rechtsform gemeinschaftlicher Wohnprojekte entscheidet über die finanziellen Verpflichtungen der Mitglieder, die Verteilung der Kosten, die Mitspracherechte sowie die Austrittsmodalitäten. Mögliche Organisationsformen gemeinschaftlicher Wohnformen sind Wohnprojekte zur Miete, die einen Verein oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bilden, Wohnprojekte in Trägerschaft, bspw. durch eine traditionelle Genossenschaft oder ein städtisches Wohnungsunternehmen – hier sind die Projekte als Verein konstituiert und schließen mit den Gebäudeeigentümern entweder einen Generalmietvertrag oder eine Kooperationsvereinbarung – , Wohnprojekte im privaten Eigentum (WEG) oder auch Wohnprojekte als neu gegründete Kleinstgenossenschaften oder GmbH (z. B. Mietshäuser-Syndikatsmodell).
Was ist eine Baugemeinschaft?
Eine Baugemeinschaft ist eine Gruppe von Menschen, die sich zusammenschließt, um individuell genutzte Wohnungen oder Häuser nebst Gemeinschaftseinrichtungen zu bauen bzw. umzubauen. Die Baugemeinschaft baut in der Regel auf einem eigenen Grundstück und beauftragt professionelle Dienstleister (Bauträger und Architekten), die die Abstimmungsprozesse begleiten bzw. steuern. Die entstehenden Wohnungen werden von den Mitgliedern selbst genutzt. Mit Beginn der Planungsphase gründen die Bauwilligen in der Regel eine GbR, um Rechtsgeschäfte, wie den Grundstückserwerb, eingehen zu können. Für die Nutzung des Wohnraums nach Fertigstellung kommen verschiedene Rechtsformen in Frage. Im Wesentlichen wird zwischen Baugemeinschaften unterschieden, die eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden und Baugemeinschaften, die sich als Genossenschaft oder GmbH organisieren. In der Regel erwächst aus der Gemeinschaft im Bauen auch eine Gemeinschaft im Wohnen, viele Baugemeinschaften verstehen sich nach Einzug als Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens.
Wer sind die potentiellen Trägerinnen und Träger gemeinschaftlicher Wohnformen?
Private Gruppen von Menschen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinschaftlich zu wohnen und sich in einem Verein, einer WEG, einer Kleinstgenossenschaft, einer GmbH oder einer GbR zusammengeschlossen haben sowie kommunale Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften, die ihren Bestand für Gemeinschaftliches Wohnen öffnen und dafür mit einer Nutzerinnen- und Nutzergruppe kooperieren, d. h. entsprechende Räume und Wohnungen sowie Nutzungsrechte zur Verfügung stellen.
Wie entstehen lebendige Nachbarschaften und wechselseitige Unterstützung?
Von großer Bedeutung für lebendige Nachbarschaften ist zunächst das architektonische Konzept. Hier sind offene Bauweisen, die Möglichkeiten zur Begegnung schaffen, ebenso wichtig wie großzügige Flächen im Innen- und Außenbereich, die Raum für gemeinsame Aktivitäten bieten und zum gemeinsamen Verweilen und Gestalten einladen. Doch dies allein macht noch kein Gemeinschaftliches Wohnen aus. Gemeinschaft muss zunächst gestiftet werden und dazu braucht es einen gemeinsamen Gegenstand. In Baugemeinschaften ist dieser Gegenstand zunächst die Planung von Wohnungen und Gemeinschaftsflächen in einem Neu- oder Altbau. Hier entstehen regelmäßige Kontakte und Kommunikation, man lernt – sofern man nicht bereits im Vorfeld miteinander befreundet war – einander kennen. Im Idealfall wird spätestens in dieser Phase der Grundstein für das zukünftige solidarische und nachbarschaftliche Miteinander und die Bereitschaft zur wechselseitigen Unterstützung im Alltag gelegt oder gefestigt. Aber auch in der Einzugs- bzw. Wohnphase kann sozialer Zusammenhalt begründet und gefestigt werden. Gemeinsamer Gegenstand ist hier die kollektive Gestaltung des Gemeinschaftslebens. Dazu gehört zum einen die Organisation der Selbstverwaltung und Mitbestimmung, welche regelmäßige Kommunikation, Austausch und Kooperation im Wohnalltag verlangt und die im Idealfall durch eine wechselseitige Vereinbarung abgesichert ist, zum anderen bilden gemeinschaftliche Aktivitäten wie Feste, Pflanznachmittage im Garten, gemeinsames Kochen etc. das Mark lebendiger Nachbarschaften im Gemeinschaftlichen Wohnen und darüber hinaus.
Wie lange dauert die Realisierung gemeinschaftlicher Wohnprojekte?
Wohnprojekte, die im Investorenmodell realisiert werden, durchlaufen in der Regel eine kürzere Planungs- und Bauphase als Baugemeinschaftsprojekte. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner trägergesteuerter Vorhaben häufig nur marginal an der Konzeptentwicklung und Bauplanung beteiligt werden. Bei Baugemeinschaften basiert hingegen die Projektentwicklung und
-realisierung auf umfassenden Abstimmungsprozessen der Projektmitglieder, so dass sämtliche Entscheidungen in der Planungs- und Bauphase (z. B. Wohnungsanzahl, Wohnungsgröße, Inanspruchnahme von Mitteln der Sozialen Wohnraumförderung, Grundrisse usw.) in der Gruppe diskutiert, beschlossen und umgesetzt werden müssen. Vorteile der umfänglichen Mitbestimmungsmöglichkeiten in Baugemeinschaften sind individuellere Grundrisse und eine Gebäudestruktur, die genau auf die Bedürfnisse des Wohnprojektes zugeschnitten ist.
Eine besondere Herausforderung für Baugemeinschaften ist zudem meist die Suche eines geeigneten Baugrundstücks oder einer Bestandsimmobilie zum Kauf oder zur Miete, da insbesondere in wachsenden Städten die Boden- bzw. Immobilienpreise explosionsartig in die Höhe geschossen sind und Baugemeinschaften im Bieterverfahren oft unterliegen. Städte wie Hamburg haben aus diesem Grund über Konzeptvergabeverfahren einen Weg für Baugemeinschaften geschaffen, Grundstücke zu erwerben.
Projekte im Investorenmodell profitieren demgegenüber von einem größeren finanziellen Spielraum, dem fachlichen Know-how und den erweiterten Netzwerken professioneller Träger, die die Chancen erhöhen, schneller ein geeignetes Baugrundstück zu finden.
Wie viel Privatheit ermöglicht das gemeinschaftliche Wohnen, gibt es Rückzugsmöglichkeiten?
Gemeinschaftliche Wohnprojekte haben nichts mit den Wohnkommunen der 1960er und 1980er Jahre zu tun. Neben den Gemeinschaftsflächen bzw. -räumen wird dem privaten Wohnraum als Rückzugsort in modernen Wohnprojekten eine große Bedeutung beigemessen. Dabei steht das Privatleben in der Regel in einem sehr ausgewogenen Verhältnis zum Gemeinschaftsleben. Letzteres stellt immer ein Angebot und keine Verpflichtung dar, auch wenn sich natürlich in der Regel Menschen zusammenfinden, die neben dem Privatleben auch Wert auf ein aktives Gemeinschaftsleben legen und bereit sind, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten in das Projekt einzubringen.
Bin ich zu alt für Gemeinschaftliches Wohnen?
Nicht das persönliche Alter, sondern die persönliche Neigung sollte für die Wahl der eigenen Wohnform maßgeblich sein. Wer aufgeschlossen gegenüber gemeinschaftlichen Aktivitäten ist und sich regelmäßige nachbarschaftliche Kontakte sowie wechselseitige Unterstützung im Wohnalltag wünscht, für den ist Gemeinschaftliches Wohnen im Alter sicher eine richtige Wahl.
Welche Fördermöglichkeiten für Gemeinschaftliches Wohnen gibt es?
Viele Länder haben im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung auch für Wohnprojekte die Möglichkeit geschaffen, günstige Darlehen und Tilgungszuschüsse zu erhalten. Beratungsstellen für Gemeinschaftliches Wohnen gibt es eher im westlichen Teil der Republik und den Stadtstaaten.
Können auch Personen mit geringem Einkommen gemeinschaftlich Wohnen?
Kommunale Wohnungsunternehmen und Wohnungsbaugenossenschaften übernehmen angesichts ihres in der Satzung verankerten sozialen Auftrages eine führende Rolle bei der Schaffung von öffentlich geförderten Wohnangeboten, so auch bei Projekten des Gemeinschaftlichen Wohnens, die sie im Investorenmodell realisieren.
Anders als diese professionellen Träger, verfügen Baugemeinschaften über keinerlei Erfahrungen mit der sozialen Wohnraumförderung, so dass sie das Antragsprozedere und den mit der Förderung verbundenen Verwaltungsaufwand teilweise scheuen. Nichts desto trotz gibt es auch die klassischen Baugemeinschaftsprojekte, die öffentlich geförderten Wohnraum integrieren oder bestrebt sind, bei freifinanziertem Wohnungsbau die Mietkosten gering zu halten. In Kommunen, die Konzeptvergabeverfahren eingeführt haben, sind Baugemeinschaften häufig auch aufgefordert, einen prozentualen Anteil an öffentlich gefördertem Wohnraum in ihr Konzept zu integrieren. Auf diese Weise fördern Kommunen aktiv die Öffnung Gemeinschaftlicher Wohnformen für Menschen mit geringem Einkommen.
Können auch Menschen mit Handicap gemeinschaftlich Wohnen?
Ja, es gehört fast schon zum „guten Ton“ bei gemeinschaftlichen Wohnprojekten zumindest barrierearm zu bauen. In der Praxis entstehen in vielen Projekten mehrere barrierefreie Wohnungen allein dadurch, dass immer mehr Wohnprojekte und Wohngruppen für die Generation 60+ entstehen. Zudem wird auch in diesem Punkt via Konzeptvergabe kommunal gesteuert, indem Projekte mit barrierearmer/barrierefreier Bauweise bevorzugt ausgewählt werden. Neben den baulichen Voraussetzungen bieten die guten Kontakte zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit zu gelebter Inklusion. Diversität ist akzeptiert, viele Wohnprojekte sehen in der Konzeption ihres Projektes auch die Vermietung an Menschen mit Behinderung und/oder geistiger Einschränkung vor.
Ist Gemeinschaftliches Wohnen nicht eher eine Nischenprodukt?
Es gibt gegenwärtig eine große Nachfrage nach Gemeinschaftlichem Wohnen, die inzwischen auch das Interesse der Wohnungswirtschaft an der Erprobung neuer Wohnformen, sowohl im Bestand als auch im Neubau, geweckt hat. Professionelle Träger verbinden dabei besonders häufig das Gemeinschaftliche Wohnen mit Angeboten für Menschen mit Unterstützungs- und/oder Pflegebedarf. Auch das Thema barrierefreies Bauen oder Umbauen von Wohnungen spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Mieterinnen und Mieter werden älter und damit verändern sich die Ansprüche an Wohnraum und Wohnumfeld. Barrierefreiheit in Verbindung mit einer wohnortnahen professionellen Versorgungsinfrastruktur ist dabei ebenso wichtig wie niedrigschwellige Unterstützungsangebote im Quartier, soziale Kontakte und Begegnungsmöglichkeiten im Alltag. Letztere finden im Gemeinschaftlichen Wohnen eine ideale Basis. Denn woraus soll gegenseitige Unterstützung im Wohnalltag erwachsen, wenn nicht aus einer Wohnform, die von vornherein darauf angelegt ist, soziale Kontakte zu fördern.
Die fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit beim Bauen und Wohnen konzentriert sich häufig auf die ökonomische und die ökologische Dimension des Prinzips. Berührt sind damit wichtige Fragen einer wirtschaftlichen Gebäudeplanung sowie z.B. Fragen des ressourcenschonenden Einsatzes von Baumaterialien und der Minimierung eines umweltbelastenden Verbrauchs natürlicher Ressourcen beim Wohnen.
Eine weitere, häufig vernachlässigte, Größe ist die soziale und kulturelle Dimension nachhaltigen Bauens und Wohnens. Diese Dimension berücksichtigt die Lebenskontexte und Lebensstile und damit verbundene spezifische Wohnbedürfnisse der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer, die in modernen Gesellschaften äußert heterogen ausfallen können. Gleichzeitig erfasst sie Orte für öffentliches und gemeinschaftliches Leben sowie die (infra)strukturellen und räumlichen Grundlagen die eine Partizipation und Teilhabe sozialer Akteurinnen und Akteure am gemeinschaftlichen Leben, an öffentlichen Gütern und an kleinen Lebenskreisen unterstützen bzw. ermöglichen.
Soziale Nachhaltigkeit entsteht immer dort, wo Menschen in soziale Netzwerke und Beziehungen eingebunden sind. Sie bildet einen Kontrapunkt zu Prozessen der Individualisierung, Isolierung und Vereinsamung von Gesellschaftsmitgliedern. Eine zentrale Dimension sozialer Nachhaltigkeit betrifft die Ausgestaltung von Wohnraum und Wohnumgebungen. Maßnahmen zur Schaffung von Wohnverhältnissen, die nachbarschaftliche Kontakte begünstigen, fördern und verstetigen, die Teilhabe und Teilnahme auch für ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung ermöglichen, erzeugen soziale Nachhaltigkeit. Beispielgebend sind in diesem Zusammenhang Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens plus.
Unter Gemeinschaftlichem Wohnen plus werden Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens verstanden, die zusätzliche Angebote zur Beratung, Pflege und Unterstützung sowie Partizipation in ihr Konzept integrieren und damit bspw. Möglichkeiten eines längeren Verbleibs von Menschen mit Unterstützungsbedarf im Projekt schaffen. Mögliche plus-Bausteine sind Wohngruppen, Beratungsstellen, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Nachbarschaftstreffs/-cafés, Quartiersbüros, Tagespflegeeinrichtungen und Nachbarschaftshilfe, die unmittelbar mit dem Wohnprojekt verbunden werden.
Plus Elemente bilden einen Nachhaltigkeitsbaustein in der demografiefesten Quartiersgestaltung. Indem sie Menschen im Alter ermöglichen, in der Mitte der Gemeinschaft wohnen zu bleiben und die dafür notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen, werden etablierte soziale Beziehungen in Quartier und Nachbarschaft erhalten und Fürsorgeverhältnisse auch jenseits der Familie gestärkt. Soziale und kulturelle Nachhaltigkeit beim Bauen und Wohnen zu berücksichtigen, bedeutet, den Herausforderungen des gesellschaftlichen und demografischen Wandels in den kommenden Jahrzehnten aktiv zu begegnen.
Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohnten der Abschlussveranstaltung im Umweltforum Berlin bei
Bildnachweis: Sebastian Greuner
Am 5. November fand im Umweltforum Berlin die Fachtagung Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen – eine Bilanz des FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V. und des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) statt. Die Fachtagung war zugleich Abschlussveranstaltung des Bundesmodellprogramms „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ und der Pilotphase „Häusliches Wohnen stärken, pflegende Angehörige entlasten“, die beide vom BMFSFJ gefördert und vom FORUM als Regiestelle koordiniert und fachlich begleitet wurden.
Rund hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer – neben Vertreterinnen und Vertretern der Modellprojekte auch zahlreiche Fachleute aus den Bereichen der Sozial-, Pflege- und Wohnungswirtschaft, aus Politik und Wissenschaft – nutzten die Tagung, um sich über die Projekterfahrungen und -ergebnisse auszutauschen, in zwei Fachworkshops vertiefend zu diskutieren und den Blick dabei nicht nur zurück, sondern auch nach vorne zu richten.
So betonten Prof. Dr. Matthias von Schwanenflügel, Leiter der Abteilung Demografischer Wandel, Ältere Menschen, Wohlfahrtspflege im BMFSFJ, und der Erste Vorsitzende des FORUM, Dr. Josef Bura, in ihren Grußworten den wachsenden Bedarf an Wohn- und Pflegealternativen wie sie in den Modelprojekten realisiert wurden, und damit verbunden deren gesellschaftspolitische Bedeutung und Vorbildcharakter. Beide dankten den Projekten für ihr Engagement.
Wie beeindruckend vielfältig das Innovationspotenzial der verschiedenen Projekte ist, zeigte die Projektleiterin des Modellprogramms beim FORUM, Dr. Romy Reimer, in ihrem Einführungsvortrag auf. Inhaltlich stand dabei die Frage nach dem Beitrag gemeinschaftlicher Wohnprojekte zur Quartiers- und Dorfentwicklung und der möglichen Synergieeffekte auf dem Weg hin zu einer generationengerechten, inklusiven Kommune im Mittelpunkt.
„Mehr Lebensqualität durch Teilhabe, Selbstbestimmung und soziale Integration“ war auch das Kernthema des Hauptvortrags von Prof. Dr. Dehne von Hochschule Neubrandenburg. Er führte vor Augen, wie schwierig dieses Ziel angesichts des demographischen Wandels gerade für Kommunen im ländlichen Raum zu erreichen ist; stellte aber auch gute Beispiele aus Kommunen vor, die sich bereits auf bestem Wege zu einer „Solidarischen Gemeinschaft“ befinden.
Als Beispiel für die Quartiersentwicklung im städtischen Umfeld stellte Oliver Hanneder, Geschäftsführer der GEWO Wohnen GmbH, das Projekt Quartiersoffensive Gemeinschaftliches Wohnen Speyer-West aus dem Modellprogramm vor. Dabei wurde deutlich, dass es trotz bester Konditionen – wie eine moderne, barrierefreie Wohnung, in direkter Nachbarschaft und zu annähernd gleicher Miete – schwierig ist, die Zielgruppe, ältere Menschen, vom Umzug innerhalb des Quartiers zu überzeugen.
An Runden Tischen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschließend aus Sicht der Projekte, wie die Einbindung ins Quartier nachhaltig gelingen kann – welcher Strategie, welcher Kooperationen und Akteure es dafür bedarf. Einmal mehr wurde dabei klar: Bürgerschaftliches Engagement und der (kommunal)politische Wille sind zwei entscheidende Faktoren; ersteres zu verstetigen und letzteren konsequent umzusetzen, bleibt die große Herausforderung.
Die zwei am Nachmittag parallel stattfinden Workshops waren inhaltlich auf jeweils eines der beiden Förderprogramme ausgerichtet: Um die passende Finanzierungsstrategie – von grundsätzlichen Überlegungen, über mögliche Komponenten bis hin zu Detailfragen der Umsetzung – ging es beim Thema „Finanzierungsoptionen – Kreativität und Vielfalt nutzen“. Dr. Anja Nelle vom Berliner Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS) und Thomas Schmidt vom Modellprojekt Gesellschaftshaus Greifswald: Wohnprojekt im Zentrum bürgerschaftlichen Engagements stießen mit ihren Impulsvorträgen eine intensive Diskussion an, bei der sich in einem Punkt alle einig waren: In professionelle Beratung und Begleitung zu investieren, macht sich bezahlt. Und: Sie bundesweit zu fördern, wäre ein echter Gewinn. Weitere Empfehlungen zielten auf bessere Förderkonditionen, insbesondere für junge Wohnungsbaugenossenschaften ab.
„Pflege auf Zeit – Modelle der Zukunft?“ lautete die Fragestellung in Workshop 2. „Unbedingt“ war die einhellige Antwort der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. In ihrem Impulsreferat legte Nina Gust von der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BVG) dar, dass und warum Pflegewohnungen auf Zeit ein wichtiger Baustein „resilienter“ Quartiere sind: Quartiere, die sich an die demografische Entwicklung anpassen, aber auch auf unvorhersehbare akute Bedarfe ihrer Bewohnerinnen und Bewohner flexibel reagieren können. Wie dies in der Praxis durch gute Kooperationen gelingen kann, erläuterte Wolfgang Janzen von der Ambulante Pflege St. Markus in der Martha Stiftung gGmbH am Beispiel der Quartiersentwicklung Spannskamp in Hamburg-Stellingen.
Die Tagung endete mit einem Schlusswort von Dr. Barbara Hoffmann, Leiterin des Referats Wohnen im Alter im BMFSFJ. Sie hob hervor, dass das Modellprogramm bereits jetzt positive Wirkung gezeigt habe, beispielsweise durch die Erweiterung und Verstetigung der KfW-Förderung für Gemeinschaftsräume im Rahmen des Programms „Altersgerecht umbauen“. Gleichzeitig machte sie klar, dass noch Vieles zu tun bleibt: „Wir werden aus den im Austausch mit Ihnen gewonnenen Erkenntnissen Handlungsempfehlungen formulieren und wir freuen uns, wenn wir auch künftig im Austausch bleiben“, lautete ihre Botschaft an die Projekte.
Hier finden Sie die Fachvorträge der Referentinnen und Referenten:
Den einführenden Vortrag von Dr. Romy Reimer können Sie hier downloaden.
Die Präsentation von Prof. Dr. Peter Dehne zum Thema Modelle im Quartier: mehr Lebensqualität durch Teilhabe, Selbstbestimmung und soziale Integration können Sie hier aufrufen.
Die Präsentation von Oliver Hanneder zum Modellprojekt Quartiersoffensive Gemeinschaftliches Wohnen Speyer-West finden Sie hier.
Den Impulsvortrag von Dr. Anja Nelle zum Workshop Finanzierungsoptionen – Kreativität und Vielfalt nutzen können Sie hier downloaden.
Den Impulsvortrag von Nina Gust zum Workshop Pflege auf Zeit – Modelle der Zukunft? finden Sie hier als Download. Die Präsentation von Wolfgang Janzen ist hier hinterlegt.
13.11.2018 Weimar: Fachtagung „Inklusion und Vielfalt im Wohnen“ der Bundesvereinigung Forum Gemeinschaftliches Wohnen e.V. in der Notenbank Weimar. Foto: Thomas Müller
Auf der Fachtagung Inklusion und Vielfalt im Wohnen, des FORUM Gemeinschaftlichen Wohnens e.V. und des Bundesfamilienministeriums, am 13.11.2018 in Weimar kamen zahlreiche Fachleute von Wohlfahrtsverbänden, Stiftungen, der Pflege sowie Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich der Behindertenhilfe und des Wohnens zusammen, um sich über aktuelle Entwicklungen und Bedarfe im Bereich des Wohnens für Menschen mit Exklusionsrisiken zu informieren und auszutauschen. Viele gesellschaftliche Gruppen sind von Exklusionsrisiken bedroht. Zu ihnen zählen Geflüchtete ebenso, wie Menschen mit kognitiven und/oder körperlichen Beeinträchtigungen, Menschen mit geringem Einkommen und mit chronischen Erkrankungen.
Vertreterinnen und Vertreter aus Förderprojekten des Modellprogramms „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ und der Pilotphase „Häusliches Wohnen stärken, pflegende Angehörige entlasten“ stellten in der Gesprächsrunde mit Dr. Romy Reimer vom FORUM und in Vorträgen im Rahmen von Workshops ihre Konzepte zur Sicherung der Inklusion beim Wohnen vor. Die Verschiedenheit der Ansätze und Zielgruppen der Projektinitiativen verdeutlichte einmal mehr, wie vielfältig die Bedarfe für die Schaffung inklusiver Wohnangebote sind.
In den drei Fachworkshops wurden nach fachlich einführenden Impulsen förderliche und hinderliche Faktoren der Entwicklung inklusiver Wohnformen diskutiert. Insgesamt wünschten sich die Teilnehmenden verbesserte rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für die Schaffung ambulant unterstützter Wohnangebote und neuer Wohn-Pflege-Formen. In Workshop 1 veranschaulichte Dr. Tobias Behrens von STATTBAU HAMBURG am Beispiel Hamburgs wie Städte die Entwicklung inklusiver Wohnangebote und Quartiere vorantreiben bzw. unterstützen können. Mit der Hamburger Genossenschaft Schlüsselbund eG präsentierte er zudem ein Wohnmodell zur Unterstützung des selbstbestimmten Wohnens von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und psychischen Erkrankungen. Ulrich Niehoff von der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. stellte als Planungsinstrument für Wohnanbieter, wohnbezogene Dienste, Institutionen und Kommunen den „Index für Inklusion zum Wohnen in der Gemeinde“ vor. Gisela Heinzeller, freiberufliche Beraterin, stellte das „Wohn- und Versorgungskonzept Wohnen im Viertel der GEWOFAG -Pflegewohnungen auf Zeit“ vor. Das zeitlich begrenzte Wohnangebot können bspw. Menschen nach einem Krankenhausaufenthalt nutzen, wenn aufgrund von Pflegebedürftigkeit eine Rückkehr in die eigene Wohnung nicht möglich ist oder pflegende Angehörige eine schnelle und flexible Entlastungsmöglichkeit benötigen.
Abstract: Tobias Behrens: Neue Wohnangebote für inklusive Quartiere – Strategien und Projekte aus Hamburg
Powerpoint: Tobias Behrens: Neue Wohnangebote für inklusive Quartiere – Strategien und Projekte aus Hamburg
Powerpoint: Bruno Wiedermann / Brigitte Ströbele: Tante Huber (Tübingen) – Vielfalt leben!
Powerpoint: Gisela Heinzeller: Wohn- und Versorgungskonzept Wohnen im Viertel der GEWOFAG -Pflegewohnungen auf Zeit
Die Publikation Inklusion und Vielfalt im Gemeinschaftlichen Wohnen dokumentiert die Fachtagung im Rahmen des Modellprogramms „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ am 13. November 2018 in Weimar. Die Broschüre fasst die Diskussion und Ergebnisse der drei Workshops zu „Inklusiven Quartieren“, „Gemeinschaftlichen Wohnformen für Menschen mit Exklusionsrisiko“ und „Pflegewohnungen auf Zeit“ zusammen. Darüber hinaus dokumentiert sie die Gesprächsrunde mit Vertreterinnen und Vertretern aus Förderprojekten des Modellprogramms über ihre Konzepte zur Sicherung der Inklusion beim Wohnen. Fachbeiträge von Romy Reimer, Tobias Behrens, Ulrich Niehoff und Bruno Wiedermann runden die Publikation ab.
Hier geht es zum Download der barrierfreien Web-PDF
Die Fachpublikation Gemeinschaftliches Wohnen plus. Teilhabe, Fürsorge, Pflege, Beratung basiert auf der Analyse und Auswertung des Modellprogramms Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben des BMFSFJ. Sie versammelt Fachbeiträge von Andrea Töllner, Josef Bura, Romy Reimer, Ursula Kremer-Preiß, Ricarda Pätzold, Nina Gust, Britta Klemm und Claudia Kaiser, die die Potentiale gemeinschaftlicher Wohnenformen in Zeiten des demografischen Wandels und angesichts der damit verbundenen planerischen Herausforderungen in Städten, Ländern und Kommunen ausloten. Aufgezeigt werden Wege, wie Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf möglichst selbstbestimmt in der Mitte der Gemeinschaft, im vertrauten Wohnumfeld leben können.
Die barrierefreie Web-PDF der Broschüre steht hier zum Download bereit ->
Fachvortrag zum Thema Nachtversorgung, Nina Gust, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg
Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens die plus-Bausteine integrieren schaffen Versorgungssicherheit am Wohnstandort und ermöglichen damit ein längeres selbstbestimmtes Leben in der eigenen Häuslichkeit. Einen wichtigen Baustein zur Versorgungssicherheit bildet die nächtliche Versorgung in Quartieren, dem noch immer viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Erfahrungen mit dem Thema Nachtversorgung gibt es u.a. in Hamburg. Nina Gust, Fachreferentin in der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV), stellte auf Einladung des FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V., im Rahmen der Fachveranstaltung Anders (als) gewohnt: Gemeinschaftliches Wohnen plus beim 12. Deutschen Seniorentag in Dortmund, Modelle zur Sicherung der nächtlichen Versorgung im Quartier vor, die derzeit in Hamburg entwickelt bzw. erprobt werden.
Hier geht es zum Vortrag von Nina Gust ->
Zum Thema „Gemeinschaftliches Wohnen mit Versorgungssettings – organisieren und finanzieren“ diskutierten auf Einladung des FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e. V., Bundesvereinigung am 07.03.2017 im Stiftungsdorf Gröpelingen der Bremer Heimstiftung Fachleute aus der Politik, der Wohnungswirtschaft, von Wohlfahrtsverbänden, Stiftungen, Pflegedienstleistern sowie andere pofessionelle Akteurinnen und Akteure aus dem Bereich der Altenpflege und des Wohnens für ältere Menschen.
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